| Dieses Modell schuf erst 
                                      die Voraussetzung für eine vernünftige Formelsprache, 
                                      die wiederum notwendig ist für quantitative 
                                      Betrachtungen - also die Untersuchung von 
                                      Mengenumsetzungen. Ohne diese quantitativen 
                                      Betrachtungen ist aber eine Analyse der 
                                      Zusammensetzung chemischer Verbindungen 
                                      nicht möglich. Man konnte vor Dalton zwar schon angeben, 
                                      dass z.B. Weingeist (Ethanol) aus Kohlenstoff, 
                                      Wasserstoff und Sauerstoff besteht, da diese 
                                      Elemente ebenso wie die zugehörigen Nachweisverfahren 
                                      bekannt waren.
 Die Ermittlung der Formel C2H6O 
                                      - also der Summenformel - ist nicht möglich, 
                                      ohne vorauszusetzen, dass Atome miteinander 
                                      reagieren und sich damit auf das Modell 
                                      von Dalton und seine Folgerungen zu stützen.Vor Dalton betrachtete man chemische Reaktionen 
                                      makroskopisch, d.h. man beobachtete, dass 
                                      bei der Reaktion von Eisen mit Schwefel 
                                      Eisensulfid entstand. Das Abstraktionsniveau 
                                      einer solchen Beobachtung ist nicht höher 
                                      als bei der Aussage, dass blauer Pudding 
                                      vermischt mit gelbem Pudding grünen Pudding 
                                      gibt.
 Das im vorigen Kapitel erwähnte Gesetz 
                                      der konstanten und multiplen Proportionen 
                                      zwang dazu, eine Deutung zu versuchen, die 
                                      dem quantitativen Aspekt Rechnung trug. 
                                      Betrachtet man die Reaktion zwischen Eisen 
                                      und Schwefel unter einem vordaltonschen 
                                      Blickwinkel, ist eine Erklärung oberhalb 
                                      des Puddingniveaus nicht möglich. 
                                     Der Schritt in den atomaren Bereich bringt 
                                      eine ganz einfache Erklärung: reagiert jeweils 
                                      ein Eisenatom mit einem Schwefelatom, wird 
                                      sofort klar, dass bei beliebigen umgesetzten 
                                      Mengen die Mengenverhältnisse gleich sein 
                                      müssen. Anders als beim Pudding ist es auch 
                                      gleichgültig, ob einer der beiden Reaktionspartner 
                                      im Überschuss zugesetzt wird, die überschüssigen 
                                      Atome reagieren nicht, es entsteht dasselbe 
                                      Eisensulfid wie bei genau "passenden" Mengenverhältnissen. 
                                     Im Schritt vom Sichtbaren weg ist der Grund 
                                      zu suchen, dass die Chemie erst so spät 
                                      zu einer systematischen Wissenschaft wurde.Beobachtungen der Biologie, Astronomie oder 
                                      Physik lassen sich auf der Ebene des Sichtbaren 
                                      systematisieren und in Gesetzmässigkeiten 
                                      fassen. Die Chemie zwingt den beobachtenden 
                                      Menschen jedoch, die Ebene des Sichtbaren 
                                      zu verlassen, um zu einer Erklärung des 
                                      Sichtbaren zu gelangen.
 Dieser notwendige Schritt ist es auch, 
                                      der die Chemie zu einem Fachgebiet macht, 
                                      das als undurchschaubar und schwierig gilt. |